29.11.2009

Archäologe freut sich: Überreste des Mainzer Lustschlosses "Favorite" entdeckt

Glaubt man zeitgenössischen Chronisten, so blieb von der Favorite, dem von Kurfürst Lothar Franz von Schönborn erbauten Lustschloss, nach der Beschießung der Stadt im Jahre 1793 nicht ein Stein auf dem anderen. Und diese historische Feststellung würde auch heute noch gelten – hätte nicht Landesarchäologe Dr. Gerd Rupprecht jetzt eine Entdeckung gemacht, die die Geschichtsschreibung zumindest in diesem Punkt verändert: die Einfriedungsmauer des Schönbornschen „Wasserschlosses“ mitsamt eines mit Kieseln gepflasterten Promenadenwegs, der einst entlang des Rheins verlief.

Hier, wo die Immobilien Treuhand Mainz (ITM) zwischen Winterhafen und Bahndamm auch bei 22 Probebohrungen nichts entdeckte, was auf historische Funde schließen ließe, wird, so ITM-Geschäftsführer Reinhard Milferstedt, momentan der Baugrund vorbereitet. Im kommenden Jahr wird die ITM eine Erschließungsstraße entlang der Bahnlinie bis zum Ruderverein bauen. 13 Bootslager sollen errichtet werden, im zweiten und dritten Bauabschnitt auch Geschosswohnungsbau.

„Ich habe nichts vermutet und verstand plötzlich die Welt nicht mehr“, beschreibt Rupprecht seine Empfindungen, nachdem er am Montag auf Mauern stieß, die er nach Lektüre alter Stadtansichten als Einfriedungs- und Stützmauer der Favorite identifizierte. „Sehr sorgfältig gesetzt und mit feinstem Sichtmauerwerk in Richtung Rhein“, jubelt der Landesarchäologe.

Auch auf römische Relikte gestoßen

Sein Mitarbeiter Klaus Sukup. der hier in der „Schlammwüste“ als Grabungsleiter fungiert, hat jedoch nicht nur das „Mauerwerk der Spitzenklasse“ freigelegt und die Fundstellen sorgsam „geputzt“, sondern ist auch auf römische Relikte gestoßen. „Hier haben die Römer Schutt und Müll abgelagert. Eventuell, um den Rhein an dieser damals morastigen Uferstelle aufzuschütten“, analysiert der Landesarchäologe den Fund. Nahezu überwältigt ist er von einer Stelle nahe des heutigen Bahndamms: Kieselpflaster, das dem alter Partien in der ebenfalls von Lothar Franz von Schönborn erbauten Zitadelle ähnelt. Und ein von einem schweren Gitter verschlossener Ablauf.

Hinter dessen Geheimnis wollen die Archäologen, die heute ihre Arbeit mit Luftaufnahmen des Geländes beenden, noch kommen. Völlig im Dunkeln tappt Rupprecht jedoch, was sich hinter vier großen runden Grundmauern verbirgt, die auf Bauwerke entlang des Rheins schließen lassen. „Vielleicht sind sie in Verbindung zu bringen mit dem Gaswerk, das vor dem Ersten Weltkrieg seinen Betrieb einstellte“, rätselt er.

Quelle: allgemeine-zeitung.de

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